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  Erfahrungen mit einem therapeutischen Ansatz    
    In der Arbeit mit schwer Erkrankten und Menschen, deren Problematik sich einer willentlichen Beeinflussung entzieht, entwickelte der Hypnotherapeut Wolfgang Lenk sein Konzept der Teile-Arbeit. Meine eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit Teilen - persönlich und in der Begleitung von Menschen - haben mich mit einer Reihe heilsamer Auffassungen vom Menschen verbunden.

Wer einwilligt,
den führt sein Geschick.
Wer sich verschließt,
den treibt es, richtungslos.
Vergil

Auf eine nicht planbare Weise ist Teile-Arbeit das Medium, über das ich auf meine existenzielle, mich bedrängende Frage, meine unwiederholbare, ganz persönlich bedeutsame Antwort finden kann. Damit kann sie der Schlüssel sein zu einem Erlebnisraum, in dem ich dem begegne, was mich stärkt, verändert und dazu ermutigt, zu der Person zu werden, die ich bin und sein kann. In der Teile-Arbeit bin ich gefordert, das mir Mögliche zu tun, um so die Voraussetzung zu schaffen, dass mir dazugetan werden kann.
  1. Teile-Arbeit folgt einer alten Spur
    Das alte, griechische Wort Moira bedeutet Teil. Es bezeichnete einst das dem Einzelnen zugeteilte Leben und Lebensglück, als Teil seines gegebenen Schicksals. Der amerikanische Psychoanalytiker James Hillman greift den Mythos der griechischen Schicksalsgöttinnen, den Moiren, wieder auf. Auf seine Auslegung gründet er die Anregung, unsere Biografie von hinten zu lesen, anstatt wie üblich von vorne. Wenn wir dem linearen Schema folgen, dass wir so sind , weil wir erst das und dann auch noch das erlebt haben, erscheinen wir häufig als Opfer der uns prägenden Umstände. Wer wollte ihren Einfluss leugnen ? Wenn wir unser Leben dagegen von seinem vorläufigen oder tatsächlichen Ende her aufrollen, so erkennen wir, dass vieles von dem was uns gehindert hat, zugleich die unverzichtbare Voraussetzung dafür war, das etwas förderliches sein konnte. In der jeweils akuten Situation wissen wir nicht um den Stellenwert, den ein Ereignis langfristig in unserem Leben haben wird. Vieles erschließt sich uns erst - wenn überhaupt - in der Rückschau.
Die ihr Felsen und Bäume bewohnet, o heilsame Nymphen
gebet Jeglichem gern, was er im Stillen begehrt.
Schaffet dem Traurigen Mut, dem Zweifelnden Belehrung Und dem Liebenden gönnet, dass ihm begegne sein Glück, denn euch gaben die Götter, was sie dem Menschen versagten,
jedem der euch vertraut, hilfreich und tröstend zu sein.
Goethe

Wir wissen nicht, warum etwas sich so und nicht anders ereignet. Im Nachhinein können wir sagen, was es uns trotz allem gegeben hat, was wir daraus gelernt haben, welche Vertiefungen unser Leben dadurch erfahren hat. Die Dinge des Lebens erscheinen weit weniger eindeutig. Es tut sich ein Rätsel auf, das sich uns nie ganz enthüllt. Gleichzeitig wird erkennbar, dass das Leichte und das Schwere nicht nur unser persönliches, momentanes Glück und Unglück ausmachen. Beide erscheinen auch als untrennbar miteinander verwobene Entwicklungshelfer, unumgängliche Stationen auf einem unsichtbaren Weg. Auch als unseres Glückes Schmied bleibt uns oft nur, in diesen Weg zu vertrauen. Wir spüren die Anforderungen, die eine Krise oder Krankheit an uns stellt. Verstehen tun wir sie oft nicht. Krise, Krankheit, Scheitern erscheinen auf dem Hintergrund von Hillmans Überlegungen nicht primär als unser persönliches, innerpsychisches oder systemisches Versagen. Sie sind Teil der Spur, der wir folgen; Anfrage an das, was wir, jenseits von illusionären Wünschen, ganz persönlich sind und sein können; Angebote, Sinn und Erfüllung zu erfahren; aber auch die Konfrontation mit der verstörenden Erfahrung, dass all unsere gewohnten Sinnmachereien an ihr Ende geraten sind; keine Rechnung mehr aufgeht. Von diesem Standpunkt aus ist die Suche nach den Bestimmungsfaktoren einer Krebspersönlichkeit nichts als ‚Haschen nach Wind'. Das deckt sich mit den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung, die belegen, dass es die defekte Krebspsyche ebenso wenig gibt, wie ein angeborenes Scheiter-Gen. Dennoch kann Krankheit, Existenzbedrohung, Scheitern uns die Spur verlieren lassen oder uns aufmerksam machen, dass wir sie schon seit langem verloren hatten.
   
In der Teile-Arbeit wird meine ganz persönliche Lebensspur sichtbar. Mein Vertrauen in den Weg, den sie aufzeigt, wird ermutigt und gestärkt.
  2. Begleitschutz inbegriffen
    In einer der ersten Unterhaltungsserien dieser Welt sorgt ein Gott dafür, dass ihr Held, Odysseus, schließlich und endlich nach zehn langen Jahren der gefahrvollen Irrfahrt, den Heimathafen erreicht. Er ist der unsichtbare Begleiter, der Handlungswege eröffnet, Odysseus Kraft und Mut immer wieder finden lässt. Den Menschen der Antike war klar, dass ihnen bei ihrem Tun und Lassen zugeschaut wird. Sie glaubten nicht an ein: Ich denke, also bin Ich. Für sie galt: Ich bin, weil an mich gedacht wird. Der alltägliche Kontakt zu den vielen Mittlern zwischen menschlicher und Götterwelt war selbstverständlich.
    Auch im Mittelalter fühlten sich die Menschen begleitet. In ihrer Bilderwelt überbringen Engel frohe oder Traumbotschaften. Der bis in die alltäglichen Verrichtungen reichende Kontakt zu den allgegenwärtigen Mittlern zwischen den Welten war für den Menschen dieser Zeit ebenso fraglos, wie für die Menschen der Antike der Verkehr mit ihren zerstrittenen Göttern, Göttinnen und HalbgöttInnen.
    Einige Jahrhunderte später schreibt Heinrich Heine, Dichter und Gesellschaftskritiker einer gänzlich anderen Zeit, einen heiteren Aufsatz über die Welt der Elementargeister. Er bedauert ihre Verbannung aus unserer Vorstellungswelt. Die unerschaffene Welt der Riesen, Zwerge, Elfen, Nymphen, Hexen, ist der Tatsache gewichen, dass wir Aufgeklärten es in jeder Hinsicht besser wissen. Allenfalls unsere Kinder dürfen sich noch an ihnen freuen und von ihren Kräften profitieren.
    Für Peter Sloterdijk ist die Zeitkrankheit Depression Ausdruck der Tatsache, dass wir den Kontakt zu unserem inneren Begleiter nicht mehr herstellen können. Dieser innere Zwilling, ist uns, wie er glaubt, näher, als es selbst Eltern, Partner, Freunde sein können. Der unbemerkte Kontaktverlust zu dem, was uns am Nächsten ist, hinterlässt eine nicht zu schließende Lücke, ohne dass wir sagen könnten, worin der gefühlte Mangel gründet .
   
In der Teile-Arbeit, ihrem Bezug zum Unerschaffenen, wird der Kontakt zu dem, was mir am Nächsten ist wieder hergestellt. Ich erfahre, dass ich nicht von allen guten Geistern verlassen bin.
 

3. Wir Angewiesenen

    Für uns alle besteht das Leben aus einer Vielzahl von Notwendigkeiten und Verbindlichkeiten. Unser Handeln folgt den Gesetzen, die durch sie vorgegeben werden. Je ausgefüllter unser Tag, je eingespannter in Notwendigkeit und Pflicht wir uns fühlen, umso fragloser unser Tun. Wir glauben, dass das, was uns von morgens bis abends auf den Beinen hält, alles ist, bis eine überraschende Begegnung, ein unerwarteter Einbruch, eine unvorhersehbare Wendung uns eines Besseren belehren. Das Offene ist immer und überall. Es heißt, dass wir mit allem rechnen müssen, auch mit dem Schönen. Gleichzeitig lässt sich mit dem Offenen nur sehr schwer rechnen. Wir können uns bestenfalls gelassen bereithalten. Manchmal nicht einmal das, wenn es uns bereits übel mitgespielt hat und wir uns ängstlich vor ihm zu versichern suchen. Verbindlichkeiten und das allgegenwärtig Offene gehören zusammen. Sie bilden die Heimat, in der wir immer schon sind, auch wenn wir uns heimatlos, entwurzelt, aus der Bahn geworfen fühlen. Nur in einer Wirklichkeit, in der die Welt der Verbindlichkeiten und das Offene zusammenkommen, kann sich der Schrecken in seiner ganzen Wucht vollziehen, ohne dass wir ihm gänzlich anheimfallen. Davon erzählt die Geschichte des Mannes am Kreuz. Erst unsere Angst vor dem Offenen macht uns zu Heimatvertriebenen die nicht anders können, als sich an ihre Verbindlichkeiten zu klammern, um immer mehr von anwachsenden Sachzwängen und Angst vorangetrieben zu werden. Die Fakten unserer von Notwendigkeit und vorgegebenen Verbindlichkeiten bestimmten Welt können so erdrückend sein, dass sie ganz und gar unerträglich sind. Wer nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen ist, kann sich in Umständen wiederfinden, die ihn als Menschen ausweisen, der an Leib und Leben und in seiner Würde bedroht ist. Das Leben kann uns zu Ausgelieferten und restlos Angewiesenen machen. Die Realität unserer Verbindlichkeiten und das in allem aufscheinende Offene sind auch dann untrennbar miteinander verbunden. Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, hat auf den Tatbestand selbst keinen Einfluss. Er ist das Gegebene, dem wir uns verschließen oder stellen können. Das Zusammenspiel von real existierenden Verbindlichkeiten und allgegenwärtig Offenem nehmen wir als den fortlaufenden Fluss unseres Lebens wahr. Ungewissheit umgibt das Beständige, das sich unerwartet als instabil, bedrohlich, in seinen Ansprüchen überfordernd, erweisen kann.
    Mit Augustinus kam der Gedanke in die Welt, dass all unser willentliches Bemühen nicht ausreichen wird, um den Anforderungen eines guten Lebens gerecht zu werden. Er wies die Hoffnungen der Philosophen, auf dem Wege von Einsicht und Vernunft die Welt zum Guten wenden zu können, entschieden zurück. Auch für das Heer der heutigen Lebenshelfer hätte er vermutlich nur ein müdes Lächeln übrig gehabt. Für Augustinus käme ihr Angebot direkt aus dem Warenlager illusionärer Täuschungen, die allesamt nur in die Hauptsünde der stolzen Überheblichkeit führen. Es gibt ein Leben jenseits des Machbaren, auch wenn wir gefordert sind, alles in unserer Kraft stehende zu geben. Nur da, wo das geschieht, wird auch dazugegeben nach Gesetzen, die uns verborgen sind und bleiben.
   
Teile-Arbeit ist ein lösungsorientierter Ansatz, der anerkennt, dass ein Problem stärker sein kann, als der Mensch den es betrifft.
  4. Teile-Arbeit und Immunschutz
    Gegen das launische Spiel der griechischen Götterwelt setzte Sokrates die Schärfe des Verstandes. Als Erfinder und Meister des zirkulären Fragens, misstraute er den übergroßen Gewissheiten der Welt des Glaubens und der Verbindlichkeiten. In ihnen erkannte er menschliche Konstruktionen, die sich so, aber eben auch ganz anders sehen und gestalten ließen. Je mehr er in die Welt der denkenden Vernunft eindrang, um so größer wurde seine Überzeugung, dass er nichts sicher wissen könne. Er ging davon aus, dass wir Unwissende sind und bleiben. Im Umgang mit der Ungewissheit wurde er Meister, der wie andere Meister vor und nach ihm, selbst die Angst vor dem Tod verlor. Kritisch gegenüber den Gewissheiten mythologischen Glaubens, sicher darin, dass sich unser Leben nicht in seinen Verbindlichkeiten erschöpft, hörte Sokrates beständig auf die Stimme seines Daimons, seinem treuen Begleiter, der ihm nur ein einziges Mal zu-, aber immer wieder abriet. Als sein ganz persönlicher Schutzgeist sorgte er für die Immunität seines Anvertrauten.
    In Peter Handkes Roman ‚Der Bildverlust' geht es um den Verlust von Lebensräumen und Lebensintensität, den der Verlust unserer inneren Bilder nach sich zieht. Heldin des Romans ist eine, auf den Spuren ihrer verlorenen Bilder, reisende Bankkauffrau. Von diesen sie seit der Kindheit begleitenden Bildern heißt es u.a.:
   
"Wie wirkten die Bilder? Sie erhöhten ihr den Tag. Sie bekräftigten ihr die Gegenwart. Sie lebte von ihnen: das hieß auch, sie benutzte und nutze sie. Sie verwendete sie sogar für ihre Arbeit; ihre Unterneh- mungen; ihre Geschäfte......So wie sie von dem Bildwerden lebte, in jedem Sinn, so lebte sie für es. Und ihre Reservetruppe...benutzte sie ganz und gar nicht zu gleichwelchem Kriegführen. Ein einziges solches sich und sie aktivierendes Bild am Tag, und der bekam sein Friedensmuster .....Diese Bilder...handelten von der, einer, einer Art Liebe....Und sie war überzeugt, dass das jedem mehr oder weniger zustieß. Wohl gehörte das jeweilige Bildobjekt zu eines jeden persönlicher Welt. Aber das Bild, war universell. Es ging über ihn, sie , es hinaus. Kraft des offenen und öffnenden Bildes gehörten die Leute zusammen......."
    Die Frau in Handkes Roman wird begleitet und beschützt von einer Reservetruppe in Sachen Frieden. Innerer Frieden ist sicherlich für unsere Immunität von herausragender Bedeutung. Alles, was uns hilft, ihn zu finden und zu bewahren, stärkt uns und unsere Fähigkeit der Welt wie sie nun einmal ist, angstfrei zu begegnen. Innerer Frieden sorgt auch dafür, dass wir die Angebote erkennen können, die das Leben für uns bereithält; dass wir uns öffnen können; uns mit dem verbinden können, was für uns da ist. Er ermöglicht auch, dass wir uns unseren Schattenseiten, den zerstörerischen Neigungen, Verweigerungen und Abschottungen stellen können. Je mehr wir auf die Formen lebensfeindlicher Abwehr verzichten können, desto lernfähiger, lebenstüchtiger, stabiler werden wir. Eine zunehmende Löslichkeit hilft uns dabei, uns wirklich sicher zu fühlen. Sie führt uns heraus aus den Wüsten unnötiger Einsamkeit.
    Es gibt das, was uns an Leib und Leben, unsere Existenz bedrohen kann. Auch für die Heldin in Handkes Roman bleibt diese Realität bestehen und doch ist sie ihr nicht schutzlos ausgeliefert. An einer Stelle heißt es dazu:
   
"...Angesichts der Bedrohung - nicht bloß einmal auch mit einer Waffe - stellte sich so unvermittelt wie gesetzmäßig ein Bild ein, jeweils nur ein einzelnes, welches dafür aber so stark war, dass es ein Strahlschild zwischen sie und den Angreifer projizierte..... und die Angegriffene wurde dem Angreifer unantastbar." (S.25)
    Ihre innere Bilderwelt ist für diese Frau ganz offensichtlich auch eine Art Schutzgeist, der ihr ein instinktives Handeln im Interesse der eigenen Immunität ermöglicht.
    Wer nachts nicht schlafen kann, keine wirkliche Ruhe und Erholung mehr findet und z. B. in einer Spezialklinik für Abhilfe sorgen möchte, erfährt dort, dass er nach seinen Tagesrhythmen gefragt wird. Welchen Rhythmen folgt mein persönliches Leben ? Kann es sich überhaupt noch rhythmisch entfalten, oder wird ihm seit langer Zeit der Takt aufgezwungen, nach dem es zu laufen hat ? Ein Zustand, in dem das Gefühl für die mir entsprechenden Rhythmen mehr und mehr verloren geht. "Schläft ein Lied in allen Dingen...", heißt es in einem Gedicht. Sollte darin ein Fünkchen Wahrheit stecken, dann hieße das auch, das alles seinen Rhythmus hat. Wer das Gefühl für die eigenen Rhythmen verloren hat, findet auch nur schwer zu erholsamen gemeinsamen. Keinen Rhythmus haben, bedeutet oft auch, sich schwer zu tun, angemessene Prioritäten zu setzen. Dann folge ich - mehr oder weniger bewusst - dem was von außen an mich herangetragen wird, bis ich erschöpft feststelle, das etwas nicht stimmt. Für einen Lebensstil, der meine Immunität stärkt, brauche ich auch das Gefühl für meine Rhythmen. In der Teile-Arbeit wird die Bewusstheit dafür geweckt. Ich erfahre über sie was mich erschöpft, und wie ich zu mir bekömmlichen Rhythmen zurückfinden kann.
   
In der Teile-Arbeit lerne ich, wie ich für meinen Immunschutz auf gute Weise sorgen kann. Ich erkenne die unproduktiven Formen meiner Abwehr, erfahre, was mir wirklich hilft, mich unterstützt, an Stellen wo ich schutzbedürftig bin. Ich finde meinen Rhythmus.
  5. Lob der Unterscheidung
    Auf seiner gefahrvollen Reise zurück in die Heimat, muss Odysseus mit seinem Schiff an der Insel der Sirenen vorbeifahren. Niemand kann ihrem Gesang widerstehen. Wer ihren Stimmen gelauscht hat, hat nur den einen Wunsch sich ganz mit deren Trägerinnen zu verbinden. Besessen von diesem Verlangen springen die Unglücklichen ins Meer und ertrinken. Peter Sloterdijk hat sich gefragt, wovon diese Damen nur singen mögen, dass selbst das Wissen um das sichere Unglück nicht hilft, die Getroffenen vom Sprung in den Untergang abzuhalten. Das Ergebnis seiner Überlegungen ist ernüchternd. Sirenen sind Wesen, die die Melodie ihres Gegenübers erfassen, besser als es selbst das vermag. Sie bringen sie zum Klingen, voller als es der oder die Betreffende selbst vermocht hätte. Auf ganz und gar einer Wellenlänge schwingen sie im Rhythmus ihres Gegenübers. Das Lied, was der- oder diejenige ist, erklingt in seiner ganzen Schönheit und Fülle. Im Banne der Sirenen werden wir erfasst vom Verlangen nach uns selbst, nach dem was wir im Tiefsten sind und sein können. Das ist das Geheimnis des unwiderstehlich betörenden Sounds, der jedem Vorbeifahrenden zum unausweichlichen Verhängnis wird. Der Schlag ins Wasser setzt ein, wenn er erkennt, dass am anderen Ufer Niemand auf ihn wartet. Dennoch liegt dem Sprung nicht nur Täuschung zugrunde.
Wenn der Geist und die Tat
eines Menschen übereinstimmen,
dann ist auch sein
persönlicher Schutzgott nicht weit.
Afrikanisches Sprichwort
Der vom Klang Angerührte spürt in der Resonanz auf den Gesang der Sirenen sein Potenzial. Er fühlt schlagartig die Person, die er sein kann und er weiß instinktiv, dass er einen oder mehrere Andere braucht, um es gemeinsam mit ihnen zu entwickeln. Das lässt ihn alles wagen. Als Verliebte kennen wir alle diesen beflügelnden Näherausch. Ob wir ihn gemeinsam überstehen hängt davon ab, wie viel wir wirklich teilen können, und ob es uns gelingt, das unüberwindlich Trennende fruchtbar werden zu lassen. Dort wo tatsächlich Jemand auf uns wartet, erklingen immer auch die Misstöne unüberwindlichen Verschiedenseins. Ob sie uns auf Dauer den letzten Nerv und damit unsere Energien rauben, oder ob es gelingt, sie in bisher unbekannte Wohlklänge aufzulösen, entscheidet über den Ausgang. Auf der Basis real empfundener Nähe sorgt das was uns unterscheidet dafür, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt, sich unsere Möglichkeiten erweitern, wir unsere Grenzen erkennen. Durch die Belebung einer von Nähe und Differenz bestimmten Zwischenwelt werden wir neu. Im Dialog gerade auch mit dem, was ich nicht bin, erfahre ich nahrhafte Ergänzung, schöpferische Anregung, frische Kräfte und neue Lösungsmöglichkeiten. Viele Beziehungen scheitern am Unvermögen der Partner, die jeweilige Andersartigkeit fruchtbar werden zu lassen. In der Teile-Arbeit begegne ich auch dem, was ich nicht bin. Der Kontakt zum ganz anderen, die konstruktive, mich fordernde Auseinandersetzung damit, lässt mein Leben reicher und erfüllter werden.
   
   
In der Teile - Arbeit begegne ich dem was mir nah ist und was zugleich unüberwindlich fremd bleibt. Im konstruktiven Dialog mit dem, was ich nicht bin, erfahre ich die Möglichkeiten und Grenzen meiner Liebesfähigkeit. Ich erkenne die Angebote sie zu erweitern.
  6. Selbstbestimmt entscheiden verbindet
    In seinem Film ‚Lola rennt' erzählt der Filmemacher Tom Tykwer ein modernes Märchen. Wie alle Märchen handelt es vom schwierigen Leben und wie es zu meistern ist. Den Rat den uns Tykwers Märchen mit auf den Weg gibt ist einfach: Du musst dich entscheiden. Deine Entscheidung zählt. Niemand kann sie dir abnehmen. Deine Entscheidung berührt Andere. Wir stehen in Verbindung. Der Zufall ist das Zusammenwirken einzelner, bedeutsamer und unbedeutender, bewusst gefällter und unbewusst sich vollziehender Entscheidungen. Er ist Ausdruck einer undurchschaubaren Verbundenheit. Je mehr wir uns für die Liebe entscheiden, um so mehr fällt uns zu.
    Vor dem Hintergrund dieses Märchens erscheint unser Leben als das, was fremde und eigene Entscheidungen aus ihm machen. Unser Tun und Lassen vollzieht sich in einem Feld unauflöslicher, bekannter und unbekannter Verbindungen. Wir sind frei uns zu entscheiden, und wir sind auf deutlich wahrnehmbare und unsichtbare Weise verbunden, aufeinander angewiesen, voneinander betroffen. An den Stellen an denen unser Leben ins Stocken gerät geschieht dies manchmal aufgrund einer zu einseitigen, unangemessenen Gewichtsverlagerung. Dann sieht sich Jemand allein gefordert, alles wieder ins rechte Lot zu bringen. Das Leben wird zu einer Abfolge von Einzelkämpfen, die es zu bestehen gilt. Oder Jemand sieht nur die Übermacht der Umstände, die ihn einschnürende Verflochtenheit, aus der es kein Entrinnen gibt. Alles läuft immer wieder auf die Einsicht hinaus, dass es keinen Ausweg, keine Alternative gibt. In beiden Fällen ist unnötige Einsamkeit die Folge.
   

Der Mensch übersieht - wenn wir dem Grundgedanken des Märchens folgen - sein Handeln nicht. Er schaut immer nur bis zur nächsten Ecke und was dahinter kommt, bleibt verborgen und ungewiss. Wenn wir uns entscheiden, tun wir das auch auf der Basis dessen, was wir nicht wissen können, was aber dennoch in unsere Entscheidung einfließt, sie in ihrer Wirkung beeinflusst. Sich entscheiden bedeutet deshalb immer auch einen Schritt ins Ungewisse tun. Angst und die Schwierigkeit, zu vertrauen machen uns zögerlich, lassen uns Sicherheit suchen, im Vertrauten ausharren auch wenn wir insgeheim wissen, dass die damit verbundene Stagnation uns nicht gut tut, vielleicht sogar schon angefangen hat uns zu schaden. In der Teile-Arbeit mache ich die Erfahrung, dass Entscheidung leichter fällt, wenn ich die Richtung, die es einzuschlagen gilt erkenne. Ich werde mir meiner Entscheidungsfähigkeit bewusst, lerne ein lebensbejahendes Risiko von einer riskanten Flucht nach vorn zu unterscheiden. Über eine zunehmende Entscheidungsbereitschaft erfahre ich Verbindung und Zugehörigkeit.

   
Teile-Arbeit lässt mich Richtung erkennen.
Dadurch ermutigt sie Entscheidung.
Ich erfahre Verbindung .
    In der Teile-Arbeit begegne ich dem Angebot, meine Teilnahme am Leben auf eine mir entsprechende Art zu intensivieren. In dem Prozess, den sie fordert und fördert kann mein Leben die gute Wendung nehmen, die es mir ermöglicht, meiner Spur zu folgen und in den Lauf, den sie nimmt immer besser einzuwilligen.